Als langjähriger H9 Nutzer berichte ich über meine Erfahrungen mit dem Eventide Pedal.
Ich hatte bereits vor ein paar Jahren in einem Musikerforum musiker-board.de ein Review über dieses Pedal verfasst, das ich hier noch einmal überarbeitet und angepasst habe. Seit meinem letzten Review hat sich mit der Android Unterstützung der H9 Control Software, Looper sowie einigen neuen Effektalgorithmen einiges getan. Kurzzeitig hatte ich das Pedal einmal verkauft, mir aber wieder neu zusammen mit einem zweiten H9 Core besorgt.
Kaufgrund
Mit dem H9 hat Eventide ein kompaktes Pedal im Angebot, was alle bisherigen Factor Pedale beinhalten kann und darüberhinaus noch neue Algorithmen beinhaltet.
Ich hatte bereits ein Eventide Modfactor und Timefactor sowie Pitchfactor. Mit dem Modfactor und Pitchfactor bin ich damals aber nie so richtig warm geworden. Die Effektqualität ist sehr gut, allerdings waren mit meinem damaligen Wissen die Pedale einfach zu komplex in den Möglichkeiten und gerade für den Pitchfactor hatte ich keine sinnvollen Soundideen. Ich nutze eher Delay und Reverb Effekte.
Als ich dann vom H9 lass wurde ich sofort aufmerksam. Ein Pedal was meine Factorpedale und darüber hinaus noch das Space in einem vereint, das klang für mich sehr verlockend und das Pedal selbst ist sogar noch kleiner als ein einzelnes Factorpedal!
Die Größe des H9 Pedals sind 13,3 x 11,8 x 5 cm. Es ist damit über 5cm schmaler als die Factorpedale und nur etwas größer als das beliebte Hammond 1590BB Gehäuse. Zusätzlich ist er sogar noch ca. 30% leichter als die Factorserie.
Den damaligen Preis (Stand 2014) von 579€ für den H9 Standard zuzüglich der Kosten weiterer Effekt-Algorithmen in Deutschland empfand ich allerdings zu hoch und hätte mir das Pedal dafür nicht gekauft. In Amerika kostet es zu dem Zeitpunkt “nur” 499$, das waren damals umgerechnet ca. 370€ (ja damals war ein Euro mal mehr Wert als ein Dollar…).
Ich habe dann bei einer Weihnachtsaktion eines amerikanischen Händlers das Pedal mit 20% Rabat gesehen, die Kosten für den Import durchgerechnet. Da der Gesamtpreis somit knapp unter 400€ war habe ich es dann bestellt und nach zwei Wochen warten konnte ich es endlich beim Zoll abholen. Selbst ohne den Rabat hätte sich der Selbstimport noch deutlich gelohnt.
Über die Jahre hatte ich dann zusätzliche Effektalgorithmen erworben uns es letztendlich zum Max aufgerüstet. Mit dem Kauf eines Helix LT musste das Pedal dann aber gehen. Knapp 2 Jahre später habe ich es dann gebraucht wieder erworben und sogar etwas weniger gezahlt, als ich damals beim Verkauf bekommen hatte.
Unboxing – der erste Eindruck beim Auspacken des H9
Sehr positiv ist das nun beiliegende kleine Schaltnetzteil. Es gibt nicht mehr dieses riesige Eventide Trafo-Netzteil wie bei den damaligen Factorpedalen! Ich kann es leider nicht benutzten, da ich das Gerät in den USA gekauft habe und der Stecker für die Steckdose nicht austauschbar ist, ich bräuchte also einfach einen Reiseadapter, dann könnte ich (dank Schaltnetzteiltechnik) das Netzteil auch direkt hier in Deutschland benutzen. Ich habe einfach eines meiner vorhandenen Schaltnetzteile benutzt.
Außerdem ist eine Anleitung dabei und eine Broschüre, die die einzelnen Algorithmen und die Regemöglichkeiten erklärt. Die Anleitung über die Algorithmen lohnt sich durchzuschauen, aber auch in der Konfigurationssoftware ist bei jedem Effekt über einen Button direkt die Erklärung aufzurufen.
Das Pedal ist robust und ich kann keine Verarbeitungsmängel feststellen.
Schnell das Pedal verkabelt, noch per USB an den PC angeschlossen und die ersten Sounds ausprobiert.
Die Algorithmen und Sounds des H9
Ausgeliefert wird das Pedal nur mit einem Teil der Algorithmen, die anderen müssen durch Zukauf freigeschaltet werden. Ein Gutschein liegt bei um einen beliebigen Effektalgorithmus zu erhalten. Meiner Meinung nach braucht man bei weitem nicht alle Algorithmen und die mitgelieferte Auswahl deckt bereits sehr viel ab.
Viele der verfügbaren Effekte sind sehr speziell und werden nicht von jedem benötigt oder können mit einem anderen Algorithmus mit leichten Abstrichen ähnlich eingestellt werden.
Ein großer Kritikpunkt von vielen ist, dass das Pedal immer nur einen Algorithmus gleichzeitig kann. Das ist einerseits schade, aber die Effekte sind großenteils doch sehr sehr komplex und beinhalten oft bereits verschiedene Effekte innerhalb eines Algorithmus. So gibt es z.B. ModEchoVerb mit Delay, Modulationseffekten und Reverb, die man einzeln einstellen kann. Es gibt auch noch einige andere kombinierte Algorithmen, sehr viele haben z.B. ein Delay integriert. Wem diese nicht genug sind kann sonst auch zum Eventide H90 greifen, das zwei Effekte parallel hat und auch weitere Effektalgorithmen beinhaltet, die es im H9 nicht gibt.
Durch den integrierten Tuner spare ich mir sogar noch ein zusätzliches Pedal. Beim Stimmtest mit TC Electronic Polytune und H9 gleichzeitig war der H9 auch sehr genau. Die Anzeige beim Polytune gefällt mir zwar besser, aber stimmen geht mit beiden sehr gut.
Insgesamt sind die Effekte vielseitig editierbar und zwischen dezenten und sehr experimentellen Effekten ist alles drin. Das ist einerseits ein Plus, andererseits erfordert es auch ein Einarbeiten in die Algorithmen und war auch einer der Gründe warum ich es beim Erwerb des Line6 Helix LT verkauft hatte.
Mein Eindruck ist, dass der Sound mindestens gleich gut ist wie bei den Factorpedalen. Das Pedal liefert sich im Sound keine Schwächen, kein Schaltknacksen, kein Rauschen. Das Umschalten zwischen Presets ist praxistauglich schnell. Auf diesem Niveau ist es sicherlich auch viel Geschmackssache ob man nun Strymon, Fractal Audio, Eventide oder Effekte von anderen Herstellern bevorzugt. Jeder ist mal hier einen Tick besser, mal da, aber insgesamt alles auf sehr hohem Niveau. Ich gehe daher hier nicht näher auf den Sound ein.
Gekaufte Algorithmen sind darüber hinaus auf bis zu fünf H9s nutzbar, bzw. man benötigt ein H9 Max und kann dann bis zu 4 weitere H9 Standard/H9 Core mit allen Algorithmen nutzen. Leider hat Eventide den Verkauf des H9 Core eingestellt. Wer allerdings mehr als einen Eventide Algorithmus nutzen möchte sollte inzwischen direkt zum Eventide H90 greifen. Ich denke mehr als zwei braucht man normalerweise sowieso nicht auf dem Effektboard. Zwei H9s oder ein H90 können alles an Modulation, Delay, Reverb, Pitch Shifting abdecken was man sich wünscht. Selbst mit einem kommt man sehr weit.
Pluspunkt für Eventide ist auf jeden Fall die Vielseitigkeit im kompakten Format und innovative Bluetooth Steuerung. Gerade für Gitarristen ist auch das neue Fractal Audio VP4 sehr interessant, welches vier gleichzeitige Effekte bietet.
Die Bedienung des H9
Die iOS App konnte ich nicht testen, da ich kein iPhone/iPad habe. Wenn das H9 per USB verbunden ist funktioniert allerdings keine Midi Steuerung mehr, was mich sehr stört. Daher verbinde ich das Pedal nur per Bluetooth.
Über die Apps ist die Bedienung einfach und intuitiv. Das heisst aber nicht, das man sich nicht trotzdem mit den Effekten beschäftigen muss, vor allem wenn man keine genauen Vorstellungen hat. Es gibt einfach sehr viele Auswahlmöglichkeiten, die für Anfänger oder Gitarristen die bisher einfachere “Fertigpedale” benutzt haben überfordern können. 10 Parameter pro Effekt mit Regelbereichen zwischen alltagstauglich und experimentell bis hin zu abgedreht können überfordern.
Verglichen habe ich den H9 Editor auch mit dem TC Toneprint Editor. Die Ausrichtung und Zweck sehe ich dort etwas anders als bei Eventide. Bei TC stellt man ein Toneprint-Preset ein, das man tiefgreifend einstellen kann und den Pedalpotentiometer Funktionen zuordnen kann.
Bei Eventide ist das Programm eher ein Presetmanager bei dem man die 99 verfügbaren Presets ändern, die vorgegebenen Parameter einstellen kann und so krasse Soundverbiegungen möglich sind. Man programmiert sich mit der Software viele Presets, die man dann später beim Livespielen einfach aufrufen kann. Insgesamt finde ich die Software intuitiv und ohne Anleitung zu bedienen. Was eine Anleitung benötigt sind die einzelnen Parameter der Effekte, und diese kann im beiliegenden Buch nachgelesen werden oder direkt über einen Button in der Software für den aktiven Effekt angezeigt werden.
Meiner Meinung nach haben hier TC und Eventide für die etwas unterschiedlichen Konzepte jeweils tolle Software geschrieben.
Am H9 selber ändert man normalerweise im Livebetrieb eigentlich keine Einstellungen, außer z.B. mit einem Expressionpedal. Am Pedal können aber trotzdem drei vorgegebene Hauptparameter des Presets direkt editiert werden. Es können aber auch alle anderen Parameter direkt am Pedal durch durchschalten durch die Parameter geändert werden. Das finde ich ist hier für die Kompaktheit wirklich gut gelöst. Das Drehrad zum einstellen der Parameter lässt sich auch sehr gut bedienen. Letztendlic wird man aber den Editor nutzen, direkt am Pedal ist es umständlich und macht es keinen Spass Parameter tiefgreifend zu verändern.
Das Pedal ist in 99 Presets organisiert, denen man über die App einen Effektalgorithmus zuordnen kann. Die einzelnen Parameter können dann per App oder direkt am Fußpedal eingestellt werden.
Da die Parameter alle per MIDI änderbar sind, gibt es inzwischen auch kleine Midi-Pedale von Drittanbietern und DIYlern, die die sonst üblichen 10 Potentiometer nachreichen. Selbst mit so einer zusätzlichen Box spart man immer noch viel Platz zu mehreren Factorpedalen. Mit so einer Box ist die Bedienung dann wieder auf dem gleichen Niveau wie bei den großen Factorpedalen.
Stromversorgung des H9
Eventide empfiehlt verständlicherweise nur Eventide Netzteile zu nutzen. Wenn ihr andere Netzteile nutzen möchtet müssen diese folgende Spezifikationen erfüllen:
Insgesmat werden maximal 4,5W benötigt (Volllast, alle LEDs leuchten). Im Normalbetrieb werden etwa 3,6W benötigt. Dies ist großenteils abhängig von der Anzahl der leuchtenden LEDs.
Das Pedal kann mit einem stabilisierten 12VDC Netzteil mit 380mA (Vollbetrieb) / 300mA Normalbetrieb genutzt werden. Auf keinen Fall ein unstabilisiertes 12V Netzteil nutzen!
Alternativ und pedalboardtauglicher könnt ihr eine stabilisiertes 9VDC Netzteil nutzen. Dies muss 500mA bei Volllast liefern und 400mA im Normalbetrieb.
Eventide Support
Mit einem meiner Factorpedale hatte ich einmal den Support angeschrieben um es auf mich umzuregistrieren. Eventide hat schnell geholfen.
Bei meinem ersten H9 habe ich Eventide ebenfalls angeschrieben, da durch Bestellung in den USA mein Pedal nach dem 31.12.13 ankam und somit der Resonator Algorithmus nicht mehr kostenlos war. Eventide war kulant und hat mir Mitte Januar noch den Resonator Algorithmus kostenlos freigeschaltet. Zusätzlich hatte ich ein paar Rückfragen vor meinem erneuten H9 Kauf und Eventide hat schnell und kompetent geholfen. Auch sind im Eventide Forum Mitarbeiter aktiv, die schnell und kompetent antworten. Super so!
Zusammenfassung
Das Pedal bietet viele Stunden um mit dem eigenen Sound zu experimentieren, Neues auszuprobieren. Es gibt so viele Möglichkeit. Die mitgelieferten Standard-Algorithmen sind gut ausgewählt. Neukäufer werden mit dem H9 Max meistens eh alle Algorithmen zur Verfügung haben. Der Sound ist auf hohem Niveau und es spart viel Platz auf dem Board ein. Ich mag gerade besonders mich durch die Algorithmen des Space Pedals durchzuspielen.
Ich finde das Pedal genial und es hat viel Power auf kleinem Raum! Nur ein Eventide H90 wäre vermutlich noch besser 😉
+ sehr vielseitig
+ guter Klang
+ komfortable Steuerung über iOS, PC, Mac, Android (Bluetooth)
+ guter Eventide Support
– teuer und inzwischen lohnt sich ggf. eher ein Neukauf vom H90
– nur ein Algorithmus gleichzeitig (Wünschenswert sind mehr kombinierte Algorithmen)